Gelassen den Molltönen des Lebens lauschen

Im Januar zeigt sich unser Gemüt oft ähnlich farblos wie Mutter Natur. Es fehlt an Grün und noch immer sind die Tage recht kurz. Eigentlich wollten wir voller Elan in das neue Jahr starten, stattdessen fühlen wir uns oftmals antriebslos und manchmal auch traurig. Statt mit dir selbst zu hadern, wäre es entspannter, solche Zustände gelassen und wohlwollend anzunehmen: Es ist, wie es ist.

Melancholie ist etwas Schönes, sobald du sie in Gelassenheit zulässt und dir erlaubst, die damit verbundenen Gefühle zuzulassen.

Mit Gelassenheit annehmen, wie es ist

Schneematschgefühle: Am Mittwoch saß ich in der Bahn, später Nachmittag, lehnte mit dem Kopf an der Scheibe und sah über die grauen Felder und Wiesen. Karge Bäume rauschten an mir vorbei und das Draußen verschwand in feuchter Abenddämmerung. Ich hatte meine Zeitung ausgelesen, keine Lust auf weitere Lektüre und betrachtete die öde Landschaft. Plötzlich hatte ich Schneematschgefühle. Ich spürte ein Art Traurigkeit und Lustlosigkeit. Doch je achtsamer ich in mich hineinhorchte, desto weniger matschig wurden diese Gefühle und plötzlich funkelten sie sogar sternenklar: Ein Hauch von Melancholie hatte sich wie ein zarter Schleier über mich gelegt. Eine schöne und wärmende Art von Traurigkeit – eine wehmütige Traurigkeit. Ich war ganz bei mir und genoss einen Moment kompletter Gelassenheit. Irgendwie kam es mir vor, als würde ich die Dinge aus der Distanz betrachten. Ich hatte das Gefühl, in diesem Moment das Leben aus einem klaren und erkennenden Abstand zu betrachten. Ein schöner Moment trotz Wehmut.

Ein bisschen Melancholie – ist manchmal ok
Ein bisschen traurig sein – und den Grund nicht versteh´n
Ein bisschen depressiv – aber trotzdem entspannt
Denn glückliche Menschen sind nicht interessant.

Songtext aus dem Lied „Melancholie“ der Gruppe Kraftklub

Ich mag diese Liedstrophe. Vor allem den Schluss: Glückliche Menschen sind nicht unbedingt die interessanteren Menschen. Im 19.Jahrhunderts keimte die Phase der Romantik auf und plötzlich wurde die Melancholie als etwas sehr Schöpferisches gefeiert. Albrecht Dürer, Caspar David Friedrich, Vincent van Goch, Edvard Munch und so viele andere nutzen die Molltöne ihrer Herzen, um unglaubliche Kunstwerke zu schaffen. Wehmut als Inspirationsquelle kulturellen Schaffens. Ich denke, sobald wir in Gelassenheit auch die grauen Farbtöne unserer Emotionen annehmen und wertschätzen, werden wir mitfühlender uns und anderen gegenüber und betrachten unser Leben wesentlich zufriedener.

Sobald du achtsam Momente der Melancholie erkennst und zulässt, wirst du das Wärmende und Schöne darin erkennen. Das stärkt deine Gelassenheit und das Gefühl, so wie du bist, absolut okay zu sein.

In Gelassenheit loslassen, um ins Leben einzutauchen

Sobald du dich auf deinen Anflug von Melancholie einlässt, kriegst du Abstand zum alltäglichen Treiben. Es ist geradezu wie eine kleine Auszeit. In solchen Momenten betrachten wir unser Leben fast so, als seien wir der Beobachter unseres eigenen Seins. Dabei spüren wir sehr bewusst, wie sich im Leben immer alles verändert, wie es sich immer weiterbewegt und wie vergänglich alles ist. Dieses Verstehen stärkt deine Gelassenheit und damit dein Vertrauen in das Leben. Das Wissen um den Rhythmus des Lebens, ein ewiges Werden und Vergehen, lässt dich die Dinge gelassen annehmen, so wie sie kommen. Ohne Gelassenheit kein Vertrauen und ohne Vertrauen auch keine Gelassenheit.

Sind Momente der Melancholie philosophische Momente? Vielleicht, auf jeden Fall Momente des Innehaltens und der Reflektion. Momente des ganz bei sich seins.

„Die Melancholie ist ein oft verkannter und verleumdeter Hochgenuss für die Feinschmecker der Emotionen.“

Mariela Sartorius, aus „Die hohe Kunst der Melancholie

In Gelassenheit gegen den Strom schwimmen

Ich mag diese Moll-Momente voll zarter Traurigkeit, ein wenig Wehmut, eine Prise Sehnsucht nach Vergangenem und dabei ein wärmendes Gefühl der Tiefe, das sich im Körper ausbreitet. Vielleicht denkst du dir jetzt, da käme die deutsche Seele bei mir durch, ein Hang zur Schwermut. Doch bei der Melancholie geht es ja gar nicht um das Hinabgleiten in belastende Gefühle. Es geht um ein wertfreies Wahrnehmen einer sehr besonderen, schönen und intimen Stimmung.

„Melancholie darf man sich leisten, stolz und selbstbewusst. Sie ist ein noch zu hebender Schatz, auf den man stößt auf dem Weg zu mehr Lebenskunst.“

Mariela Sartorius, aus „Die hohe Kunst der Melancholie

Zugegeben, Melancholie hört sich nicht gerade sexy an. Und beim unentwegten Streben nach Lebensfreude und Genuss traut man sich ja gar nicht mehr, seine melancholischen Momente zu zeigen. Das Jahr ist noch jung, alles liegt vor uns und somit müssen wir vor Energie und Tatendrang strotzen. Tue ich das nicht, bin ich schnell der Miesepeter. Dabei gestehe ich mir nur meine Emotionen zu und schätze ihren Wert. Ich übe mich gegenüber meinen Gefühlen in achtsamer Gelassenheit. Und das solltest du auch ausprobieren. Denn diese gelassene Annahme festigt dein Selbstbewusstsein und vor allem auch deine Fähigkeit der Selbstwahrnehmung.

Die Autorin Mariela Sartorius zitiert eine Freundin in ihrem Buch über die Melancholie:

Melancholie und Freude schließen sich nicht aus. Depression und Freude schon. Das ist der Unterschied.“

Tatsächlich tut eine Portion Melancholie verdammt gut. Melancholie ist ein Luxusgefühl, dem du dich ruhig öfter hingeben darfst. Im Zug wurde mir das erst bewusst. Meine Melancholie offenbarte mir eine Auszeit von allen Sorgen, Pflichten und Anforderungen. Ich entschwebte und landete ganz nahe bei mir. So ein Ausflug zu sich selbst relativiert vieles. Es lässt vieles als nichtig erkennen und das Wesentliche klärt sich heraus.

Was genau passiert denn in so einem melancholischen Moment? Wir lassen die Spannung los und gönnen uns eine Weile des Nichtstuns. Wir wandern mit unserem Geist vielleicht in die Bildgalerie unserer Vergangenheit, doch statt uns dort zu verlieren, bleiben wir nahe bei uns. Wir schauen uns gelassen und mit wohlwollendem Blick um und erkennen das Erlebte als Teil eines größeren Ganzen. Und indem wir unsere innere Anspannung loslassen, gönnen wir uns quasi eine Rast, eine Insel der Gelassenheit, des Zulassens. Eventuell spüren wir plötzlich, wie erschöpft wir tatsächlich sind.  Doch auch das ist gut, denn so können wir neue Kraft sammeln.

Sei mir gegrüßt, Melancholie,
Die mit dem leisen Feeenschritt
Im Garten meiner Phantasie
Zu rechter Zeit ans Herz mir tritt!

Die mir den Mut wie eine junge Weide
Tief an den Rand des Lebens biegt,
Doch dann in meinem bittern Leide
Voll Treue mir zur Seite liegt!

Gottfried Keller, 1.Strophe „Melancholie

Melancholie ist für mich nicht länger ein Schneematschgefühl, sondern eine Chance, in Gelassenheit mich selbst zu erleben und vertrauensvoll in den Rhythmus des Lebens einzutauchen. Und ist der Schneematsch fast dahin geschmolzen, bleibt nichts weiter als eine wehmütige Erinnerung zurück an die ersten Flocken, die vom Himmel fielen und wie alles begann und dann wieder endet und im nächsten Jahr von vorne beginnt.

  • Ich nehme meine melancholischen Gefühle gelassen an und heiße sie willkommen.
  • Achtsam spüre ich in wehmütigen Momenten, wie sich diese Gefühle körperlich anfühlen.
  • Ich lasse alle Gefühle zu, genieße die Entspannung dabei und wertschätze diesen Moment der Verbundenheit mit mir selbst.
Über Achtsamkeit im allgemeinen, was das ist und wie es dir hilft, kannst du hier weiterlesen Worum es speziell beim Thema "Gelassenheit" geht, findest du hier ...

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