Hildegard von Bingen fordert zum inneren Dialog auf

Du bist einzigartig vielfältig. Das hört sich doch prima an. Und das ist es auch, denn in dir wirken viele unterschiedliche Gefühlswogen: Mal fühlst du dich freudig und leicht wie ein Kind und manchmal gehst du deiner Wege, als hättest du Bleigewichte an den Beinen. Deine Gefühlspalette ist reich an verschiedensten Farbtönen und für jede einzelne gibt es eine Komplementärfarbe.

Laut Hildegard von Bingen hat jeder Mensch die Gabe, achtsam zu erkennen, welche Gefühle und Gedanken ihn leiten.

Hildegard von Bingen betrachtet das Große Ganze

Jeder Mensch hat die Gabe, sich seiner Gedanken und Gefühle bewusst zu werden. Unsere Bewusstwerdung ist jedoch Segen und Fluch zugleich. Segen insofern, dass wir die Freude über beispielsweise das Lächeln eines Kindes bewusst als etwas Schönes wahrnehmen und genießen können. Und Fluch deshalb, weil wir aufgrund dieses Vermögens selbst die Verantwortung tragen, inwieweit wir uns von unseren Gefühlen und von unserem Geist kritik- und tatenlos lenken lassen.

Hildegard von Bingen erkannte bereits im 12. Jahrhundert, dass jeder Einzelne an der Gestaltung der Welt mitwirkt. Jeder einzelne Mensch trägt einen Teil dazu bei, wie die Welt sich uns präsentiert. Ein Leben lang fordert uns die Welt. Einerseits nehmen wir die äußeren Gegebenheiten auf, filtern sie mit unseren Vorstellungen, Erfahrungen und unserer Wahrnehmung, andererseits bedingt wiederum unser Wirken die äußere Welt.

Jeder Einzelne von uns ist ein winziges Teilchen in dem Lebensrad. Und jeder Einzelne gestaltet die Welt durch sein persönliches Wirken.

Hildegard von Bingens Glaube an die innere Weisheit

Hildegard von Bingen glaubte fest daran, dass jeder Mensch tief in seinem Inneren wisse, was für ihn gut sei, auch wenn er es nicht tue. Du kennst selbst Situationen, in denen du dich zum Beispiel dazu hinreißen lässt, mit deinen Freundinnen über jemanden zu lästern, obwohl du dich innerlich gar nicht sonderlich gut dabei fühlst. Oder du fegst wie ein Wirbelsturm durch die Küche, gereizt und genervt, um für deinen alten Vater oder deine alte Mutter schnell ein Essen zu kochen und dabei spürst du mit jedem Handgriff, wie ungerecht dein Verhalten ist, denn schließlich kann der andere ja nichts dafür, dass er Hilfe benötigt und dir das gerade zu viel wird. Du hast es in der Hand, gut für dich zu sorgen. Doch dafür musst du in dich hineinspüren, in Verbindung mit dir selbst bleiben. Laut Hildegard von Bingen besitzen wir alle dieses tiefe innere Wissen. Und handeln wir gegen diese Weisheit, verlieren wir an Kraft.

Meditation oder auch jeder Moment, den du in Achtsamkeit erlebst, öffnen die Verbindung zu deinem inneren Wissen.

Hildegard von Bingen schrieb in diesem Zusammenhang von dämonischen Kräften, die uns zu Handlungen verleiten, die unserer Seele und auch anderen Menschen schaden. Im Grunde ist es immer ein innerer Kampf zwischen „tugendhaftem“ Wirken und dem blinden Folgen dieser Dämonen, die sich zum Beispiel in Form von Aggressivität, Ungeduld, Zorn, Neid etc. Ausdruck verschaffen. Diese Dämonen, die Hildegard von Bingen auch als Laster bezeichnete, schaden uns nicht nur seelisch, sondern können auch zu Krankheiten führen. Sie zehren an unserer Kraft und verschleiern uns den Blick für die Schönheit des Lebens. Je achtsamer du jedoch bist, desto klarer erkennst du, welche Dämonen dich gerade am Wickel haben. Und genau das ist der Moment, in dem du dich entscheiden kannst: Entweder folgst du diesen unliebsamen Miesmachern oder du verabschiedest dich von ihnen und gehst einen anderen Weg. Deine innere Weisheit hilft dir sozusagen, die Dämonen zu entlarven und ihnen etwas entgegenzusetzen.

In unserem Innersten sind alle möglichen Geisteszustände beziehungsweise Gefühlsregungen enthalten. Es liegt an dir, zu entscheiden, welche du zulässt und welche du liebevoll verabschiedest.

Hildegard von Bingens duale Sichtweise

Hildegard von Bingen schrieb einen Katalog, in dem sie 35 „Tugenden“ und „Laster“ notierte. Eine Auflistung von Werten (Tugenden) und den Kräften, die diesen Tugenden entgegenwirken (Laster). Hier einige Beispiele dieser Paare:

Demut (Natürlichkeit, Zurückhaltung)
Hochmut (Arroganz, Stolz)

Großherzigkeit (Toleranz)
Engherzigkeit (Verbitterung)

Offenheit (Wandlungsfähigkeit)
Sturheit (Unfähigkeit zur Veränderung)

Je achtsamer du schaust und in dich hinein spürst, desto klarer erkennst du auch, dass es nie Schwarz oder Weiß ist. Beispielsweise möchtest du auf gar keinen Fall in eine andere Stadt oder eine neue Wohnung ziehen. Außerdem liebst du gewisse Routinen, die dir mit der Zeit lieb geworden sind.  Trotzdem bist du offen für Unternehmungen und Menschen, immer sofort mit dabei, wenn es darum geht, deinen Horizont zu erweitern und Neues zu entdecken.

Wichtig ist es, zu erkennen, dass immer beide Kräfte in uns wirken können und es immer zu der jeweiligen Kraft eine Gegenkraft gibt.

Und wir sollten auch nicht zu streng mit uns sein. Am wichtigsten ist bei dieser Betrachtung das Erkennen. Ebenso wichtig auch das Verstehen. Ich bin hierbei auf zwei verschiedene Fragetechniken gestoßen, die ich in diesem Zusammenhang sehr interessant finde: Es gibt nämlich immer zwei Möglichkeiten der Herangehensweise, du kannst so oder so fragen. Hier ein Beispiel:

  1. Was ist der Unterschied zwischen Engherzigkeit und Großherzigkeit?
  2. Was haben Engherzigkeit und Großherzigkeit gemein?

Auf den ersten Blick gibt da keine Gemeinsamkeit, doch in beiden Begriffen geht es um das Herz. Und erkennst du, dass du beispielsweise der Freundin deines Sohnes gegenüber kühl und arrogant bist (engherzig), erkennst du in der achtsamen Bewusstwerdung auch, dass du dich deshalb so verhältst, weil du fürchtest, sie könne deinen Platz in seinem Herzen einnehmen. Oder du spürst bereits dein „blutendes Herz“, denn natürlich wird sich dein heranwachsender Sohn neuerdings mit Freundin einen weiteren Schritt von dir lösen.

Hildegard von Bingen rät zu mehr Selbstliebe

Hildegard von Bingen schrieb in ihren Texten über die Seele, dass diese im Menschen so wirke „wie die Biene in ihrem Stock Waben bildet“. Es sei die Aufgabe des Menschen, dass er sein Leben mit dem achtsamen Wissen um seine Seele lebt. Der Mensch soll „sein Werk wie eine Wabe mit dem Wissen seiner Seele vollenden, das gleichsam fließender Honig ist.“ Weiter schreibt sie, dass die von Gott gesandte Seele die Gedanken im Herzen flüssig mache, sich in der Brust sammle, um sich von dort in den Körper auszubreiten.

Sobald wir etwas mit dem Herzen tun, ist es richtig, dann fließt sozusagen Seelenkraft durch unseren Körper. Daher sollten wir uns angewöhnen, in unserem Tun und Wirken mehr darauf zu achten, ob es unserer Seele guttut.

  • Ich verbinde mich im Laufe des Tages immer mal wieder bewusst mit meinem Atem, um achtsam in mich hineinzuspüren, was ich gerade fühle.
  • Erkenne ich, wie mich beispielsweise Gefühle von Aggressivität oder Neid am Wickel haben, nehme ich mir eine kleine Auszeit, um zu spüren, dass in mir auch die Gegenkräfte vorhanden sind.
  • Ich verurteile mich nicht für negative Gefühle, nehme sie achtsam an und schaue tief in mich hinein, weshalb ich derartige Gefühle habe.
Über Achtsamkeit im allgemeinen, was das ist und wie es dir hilft, kannst du hier weiterlesen Weitere Informationen zu "Hildegard von Bingen" findest du hier ...

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