In einem Spiel verlieren können

Gerade bekam ich das Belegexemplar von „Leben & Erziehen“ mit einem Statement von mir zum Thema „Soll man ein Kind im Spiel gewinnen lassen“. Die Frage begegnet mir auf Elternabenden immer wieder, deshalb nehme ich sie doch hier gleich auf.

Spaß und Lernen beim Spiel

Spiele sind eine Art Abbild des wahren Lebens – es gibt Regeln, an die sich alle halten sollten, damit das Spiel Spaß macht und mal gewinnt der eine und mal der andere. Beim Spielen lernen Kinder solche grundlegenden Dinge und deshalb ist es wichtig, dass sie spielen. Nicht umsonst hat der Erfinder der Kindergärten, Friedrich Fröbel, das Spiel als wichtigste Tätigkeit des Kindes bezeichnet. Gerade bei Brettspielen werden Fähigkeiten wie die Feinmotorik und die Auge-Hand-Koordination geschult, die Kinder zum Schreiben von Zahlen und Buchstaben benötigen. Von Konzentration und Ausdauer, Gedächtnis und logischem Denken spreche ich gar nicht, die sind wichtige Voraussetzungen und werden besser, je mehr sie gefordert werden.

Spiel ist nicht gleich Spiel

Tut mir leid, aber ich komme schon gleich mit einer kleinen Einschränkung. Mir ist nämlich gerade eingefallen, dass viele Menschen heute unter „Spiel“ zunächst mal „Computerspiel“ oder „Spiel am Smartphone“, also Bildschirmspiele verstehen. Die meine ich jetzt gerade nicht. Da muss man auch Regeln einhalten, keine Frage, und das eine oder andere Spiel gelegentlich ist auch ok, aber es gibt eine große Gefahr: Ein Bildschirmspiel hat kein Ende oder nur eines, das in sehr weiter Ferne liegt. Selbst bei dem einfachen Kartenspiel am PC, das ich gerne spiele, wird mir mitgeteilt, wie gut oder schlecht ich in dem Spiel im Vergleich zum besten Spiel war. Das spornt mich an und – Sie kennen das vielleicht – schon sitzt man eine halbe Stunde oder länger da und daddelt sinnlos vor sich hin. Da lernt man nichts, außer immer schneller den Cursor zu führen oder Tasten zu drücken und Spaß macht es irgendwann auch nicht mehr, weil man frustriert ist, dass man seine eigene Höchstpunktzahl nicht schafft. Ich meine, wenn ich von „Spiel“ spreche Rollenspiele wie Kaufladen oder Fuhrpark, Brettspiele wie Mensch-ärgere-dich-nicht, Kartenspiele wie Mau-Mau, was heute Uno ist, oder Memory oder andere Spiele, die mit anfassbaren Materialien auf dem Tisch oder Boden gespielt werden.

Im Spiel verlieren

Aber nun zu dem, worum es mir hier geht: Ja, Ihr Kind sollte im Spiel verlieren können! Das Verlieren ist ein Beispiel für die Enttäuschungen, die das Leben für jeden bereithält. Damit muss man umgehen können, auch wenn es nicht schön ist. Ein Kind muss das erst lernen. Deshalb ist es so wichtig, dass ihm nicht jeder Wunsch erfüllt wird. Das Abschlagen eines Wunsches ist eine Enttäuschung, die es verarbeiten muss. Jeder Mensch hat seine eigene Form, mit Enttäuschungen oder Frustrationen umzusehen – der eine frisst es in sich hinein, der andere diskutiert ewig, der dritte malt, wieder ein anderer braucht einen Boxsack, um seinem Ärger Luft zu machen. Ihr Kind muss seine Form finden, die beste ist natürlich, sich selbst zu erklären, dass Enttäuschungen eben vorkommen, dafür aber auch wieder Erfolge und Freude. Das lernt Ihr Kind nur im Leben, wenn Sie ihm erklären, dass es jetzt leider verloren, aber dafür doch vorher drei Spiele gewonnen hat. Ihr Kind orientiert sich da übrigens sehr an Ihnen, beobachten Sie doch mal, wie Sie mit Enttäuschungen umgehen. Schimpfen Sie oder sagen Sie: Das ist blöd gelaufen, aber nächstes Mal wird’s besser und dafür hatte ich ja gestern Erfolg.

Kinder im Spiel gewinnen lassen

Daher halte ich auch nicht viel davon, Kinder immer gewinnen zu lassen. Die Betonung liegt auf immer, denn Sie möchten dem Kind ja auch nicht die Lust am Spielen nehmen. Sie sollten abwägen oder Spiele wählen, bei denen Sie und Ihr Kind gleich gut sind. Memory ist so ein Spiel. Ich zum Beispiel war immer sehr gut darin, aber selbst als junge Frau, noch nicht weit von der Memory-Kindheit entfernt, haben mich die Kinder, die ich im Kindergarten betreut habe, geschlagen. Bei Spielen, die stark vom Glück abhängig sind, sollten Sie das übrigens auch erklären. Kinder denken ja noch anders als wir Erwachsene und glauben, sie könnten das Würfelergebnis durch geschicktes Rollen oder Werfen beeinflussen.

Spiele ohne Gewinner und Verlierer

Es gab eine Zeit lang Spiele, bei denen es keine Gewinner oder Verlierer gibt, sondern die Gruppe gemeinsam gegen einen gemeinsamen „Feind“ spielte. Mir scheint, die sind aus der Mode gekommen. In Kindergärten sehe ich sie noch manchmal, aber in Spielwarengeschäften schon länger nicht mehr. Ich war immer ein wenig skeptisch bei diesen Spielen, muss ich zugeben. Manchmal war die Geschichte klasse und wir hatten viel Spaß beim Spielen. Aber trotzdem haben die Kinder sich – auch wenn das nicht vorgesehen war – als Sieger oder Verlierer gefühlt oder nachgefragt, wer denn gewonnen hat. Aber für Kinder, die erst vorsichtig ans Verlieren herangeführt werden müssen, weil sie gewohnt sind, dass ihr Leben ohne Enttäuschungen verlaufen ist, eignen sich solche Spiele natürlich gut.

Gibt es das ultimative Spiel?

Ich habe in dem Beitrag absichtlich außer den Spieleklassikern keinen Spieltitel genannt. Welches Spiel wem Spaß macht, hängt vom Alter ab und von den Mitspielern, von den Interessen des Kindes und dem Geschmack. Ja, es gibt Spiele, die mag man nicht oder besonders, weil die Lieblingsfarben auf der Schachtel vorkommen oder ein Tier, das man besonders mag. In meinem Schrank stehen einige Spiele, die sich besonders fürs Lernen eignen, die werde ich gelegentlich mal auflisten. Aber jetzt bin ich gespannt, welche Spiele Sie empfehlen. Einfach ins Kommentarfeld posten 🙂

In meinem AutorenBlog habe ich angefangen, klassisches Kinder- und Familienspiele zu sammeln, falls Sie Anregungen benötigen oder Lust haben, sich zu erinnern. Es fehlen noch Links und Beschreibungen, aber die meisten Spiele kennt man ja, oder?

Grundsätzliches zum Thema Einschulung können Sie hier weiterlesen

Weitere Informationen zum Thema Schulfähigkeit finden Sie hier

 

Unser Blog jetzt-schulkind wird geschrieben von Frau Dr. Birgit Ebbert. Alle Beiträge © Dr. Birgit Ebbert.