Abgrenzung für planlosen Genuss

Habt ihr etwa noch nicht euren Fünfjahresplan aufgestellt? Dann herzlichen Glückwunsch! Leben ohne Plan hat nämlich eine Menge für sich. Zugegeben, nicht in allen Lebensbereichen, doch wir sollten viel öfter planlos durchs Leben stolpern. Meist fehlt uns dazu der Mut. Denn ein „Ja“ zur Planlosigkeit bedeutet Mut zur Abgrenzung und Mut zur Begegnung mit sich selbst.

Leben ohne Plan und einfach nur sein. Um solche Auszeiten genießen zu können, müssen wir uns von unserem eigenen Pflichtgefühl abgrenzen.

Abgrenzung beginnt immer bei dir selbst

Kommendes Wochenende beginnt schon der Monat September und Freunde von mir haben längst die Herbst- und Winterferien komplett durchgeplant. Mich überrumpelt das immer, denn ich will nicht permanent planen und organisieren, möchte freier leben und spontaner auf alles reagieren, was so kommt und sich ergibt – was sich aus mir selbst heraus ergibt. Ich möchte mich abgrenzen von den vielen Anforderungen und Verpflichtungen, die sich beispielsweise bereits gegen Ende der Woche für das Wochenende ansammeln, weil in der Woche keine Zeit dafür ist, denn da steht anderes auf dem Plan. Doch Stopp: Wer ist es denn, der sich all dieses aufhalst? Ich bin es selbst.

In der Zeit ohne Plan erkennen wir, wie wichtig Abgrenzung von den eigenen Ansprüchen ist.

Abgrenzung von Gewohntem

Warum macht es häufig so große Angst, einfach mal nichts vorzuhaben und Tage vollkommen planlos auf sich zukommen zu lassen? Dahinter lauert die Sorge, den Tag ungenutzt zu vergeuden. Doch allein diese Formulierung bist nicht du, sondern es sind die Worte deiner inneren Antreiber „Mache dies, erledige das und nutze die Zeit.“ Und gleichzeitig die Angst davor, was man mit dieser großen Leere, die plötzlich vor einem liegt wie ein unbeschriebenes Blatt Papier, nun anfangen soll. Tatsächlich müssen wir uns also von uns selbst abgrenzen, vor diesen nörgelnden Stimmen, die uns permanent „sinnvoll“ beschäftigen wollen.

„Jedes Mal, wenn Du so reagieren willst wie immer, frage Dich, ob Du ein Gefangener der Vergangenheit oder ein Pionier der Zukunft sein möchtest.“

Deepak Chopra, www.wasmachtdichlebendig.eu

Ein Pionier der Zukunft zu sein bedeutet, sich auf Neues einzulassen und die Wahrnehmung für Dinge zu öffnen, die nicht auf unserem Plan stehen. Leere Zeit wagen und Neues ausprobieren, um sich selbst zu entdecken.

Ich gestehe, ich bin nicht gut darin. Liegt ein unerwarteter freier Tag vor mir, weil zum Beispiel mein Mann am Samstag seinem Hobby nachgeht, die Kinder auch verabredet sind und ich allein mit Hundekind Henry zurückbleibe, komme ich selten auf die Idee, mir erst einmal Zeit zu nehmen, um in mich hineinzufühlen, wonach mir eigentlich ist. Zum Beispiel schaffe ich es nicht, mich an einem freien Vormittag mit einem Buch aufs Sofa zu legen und vielleicht sogar noch ein wenig dahin zu dämmern. Das würde ich mir nicht erlauben. Und ebenso schwer tue ich mich damit, an solchen Tagen allein ins Museum zu gehen oder eine ähnlich schöne Sache zu unternehmen. Gedanklich bleibe ich in meinem Radius stecken, erledige stattdessen die Einkäufe, gehe die Gassi-Runde und kümmere mich um andere Dinge, die eigentlich auch liegen bleiben könnten. Ich verstecke mich in meinem gewohnten Kokon. Doch was kann mir passieren, wenn ich dort herausschlüpfe? Ich erfahre Lebendigkeit und Lebensfreude – Ich erfahre mich.

Abgrenzung bedeutet, Grenzen zu sprengen und sich von den Gedanken, getragen von Routine und Gewohnheit, zu distanzieren.

Abgrenzung ist Öffnung für Neues

Ich erinnere, dass meine Eltern früher, als sie beide nicht mehr gut zu Fuß waren, häufig am Sonntag mit dem Auto „über die Dörfer“ fuhren. Früher als Kinder hatten wir das auch schon oft gemeinsam mit ihnen gemacht, meist auf dem Rückweg vom gemeinsamen Kaffeetrinken mit den Großeltern. Mein Vater fuhr dann immer einen anderen, neuen Weg nachhause. So kamen wir auf Umwegen über Landstraßen und durch kleine Dörfer, entdeckten die Landschaft oder den einen oder anderen Hofladen am Straßenrand, bei dem wir spontan Kartoffeln, einen Kürbis oder Äpfel kauften. Das Ziel, unser Zuhause, stand fest, aber auf dem Weg dorthin ließen wir uns treiben.

Viele Dinge aus der Kindheit habe ich längs vergessen. Diese planlosen Autofahrten über Feldwege entlang der Dörfer sind mir jedoch in schöner Erinnerung geblieben.

Wer nicht vom Weg abkommt, bleibt auf der Strecke.

Abgrenzung auf dem Wege zu dir selbst

Die Abgrenzung von der Maxime, möglichst jede Minute sinnvoll zu nutzen, ebenso wie die Abgrenzung von dem gewohnten Radius, sind im Grunde kleine Lektionen in Punkto Selbsterfahrung. Probiere es doch selbst einmal aus: Nimm zum Beispiel dein Fahrrad und radle in der Gegend herum, entdecke neue Stadtteile oder fahre in einen Park, um dort entspannt im Gras zu sitzen. Vielleicht fühlt sich das im ersten Moment komisch an. Doch genau dieses komische Gefühl ist es, das dir verdeutlicht, wie verplant und rational wir alle durchs Leben laufen. Du betreibst sozusagen Abgrenzung von deinen eigenen Gedanken, die immer etwas von dir wollen. Genieße dabei alle Eindrücke und nimm sie über deine Sinne achtsam wahr. Vor allem wirst du dabei dich spüren. Und genau darin liegt der Sinn des Ganzen: Lösen wir uns ein wenig aus den Klauen unserer Vernunft, kriegen wir endlich Raum für uns selbst – für unser Sein.

Ohne Abgrenzung bleiben wir auf der Suche

Vielleicht ist das jetzt etwas abgehoben, aber mir kommt gerade der Gedanke, dass wir ohne Abgrenzung auch niemals die einzelnen Schichten unseres Egos durchschauen können. Ein Leben ständig nach Plan und ausgerichtet auf Pflichterfüllung ist genau das, was unser Ego erfreut. Wir richten uns sozusagen nach einer Vorstellung von uns selbst aus. Nach einem Bild, dem wir entsprechen möchten, weil wir meinen, so zu sein. Und irgendwann wundern wir uns dann, warum wir uns nicht gut fühlen, warum wir keine Lebensfreude empfinden und warum uns die großen Fragen des Lebens wie unlösbares Rätsel erscheinen: Wer bin ich? Wozu das alles? Was ist der Sinn? – Abgrenzung durch einen wagemutigen Schritt in die Planlosigkeit bietet uns die Chance, unsere Egoschichten abzulegen und tatsächlich einfach nur zu seinwir zu sein. Und in diesen Momenten erfahren wir auch endlich die Antworten auf alle unsere Fragen.

Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.

Rainer Maria Rilke, 1875 – 1926

Abgrenzung erfordert ein wenig Mut von dir. Mut dafür, etwas zu wagen, was dir guttun wird, was nur für dich ist. Letzte Woche habe ich beispielsweise in einem Stadtteil, in dem ich sonst nie bin, etwas eingekauft, was es nur dort zu kaufen gibt. Ich bin extra dorthin gefahren, um in dieses bestimmte Geschäft zu gehen. Ich musste etwas abseits parken und bummelte somit die Einkaufsstraße entlang und genoss die neuen Eindrücke. Ich hatte auch Zeit, doch statt mir auf dem Rückweg zum Auto noch in einem Café einen Cappuccino zu gönnen, bin ich schnurstracks nachhause, um zu erledigen, was täglich auf dem Plan steht. Später habe ich mich über mich selbst geärgert. Schließlich geht es doch genau darum: Sich etwas gönnen und sich abgrenzen von dem alltäglichen Pflichtprogramm.

Abgrenzung dir selbst gegenüber ist ebenso wichtig wie Abgrenzung gegenüber anderen. Trotzdem sollte es dich nicht betrüben, wenn du damit immer wieder aufs Neue herausgefordert wirst. Liebevolle Selbstannahme, darum geht es eben auch, aber das wäre dann ein weiteres Thema.

„Um das heranzuziehen, was wir brauchen, benötigen wir Schutzzonen. Zeit und Aufmerksamkeit, die den für uns wichtigen Dingen gewidmet sind. Gesichert durch klare, für alle gut erkennbare Grenzen, die uns vor den endlosen Anforderungen, Entscheidungen und Verantwortlichkeiten, die ansonsten unsere Tage zerfressen, schützen. Damit wir erkennen können, was für uns wirklich wichtig ist, was für uns heilig ist. Indem wir Grenzen setzen rund um das, was für uns wertvoll und notwendig ist, erschaffen wir einen Platz für Freiheit und Fülle. Ohne selbst gezogene Grenzen – uns selbst und anderen gegenüber – werden wir vielleicht nie imstande sein, das zu pflanzen, zu hegen und zu ernten, wonach wir uns sehnen.“

Therapeut und Autor Wayne Muller, www.zartbesaitet.net

  • Zukünftig werde ich dafür sorgen, dass ich freie Zeit auch tatsächlich als freie Zeit nur für mich genieße. Und vorher spüre ich achtsam: Was möchte ich jetzt WIRKICH tun?
  • Abgrenzung von inneren Antreibern bedeutet für mich, immer wieder meine Gedanken zu checken – und zwar mehrmals am Tag: Was denke ich gerade? Wie fühlt sich der Gedanke an (auch körperlich)?
  • Ich werde mutiger Dinge wagen, die mein Verstand als Zeitvergeudung oder Sinnlosigkeit abstempelt. Nach dem Motto: Jetzt erst recht.
Über Achtsamkeit im allgemeinen, was das ist und wie es dir hilft, kannst du hier weiterlesen Worum es speziell beim Thema "Abgrenzung" geht, findest du hier ...

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