Dankbarkeit ist nichts für Weicheier

Wenn du meinst, dieses ganze Gerede um Dankbarkeit und Demut sei etwas für weichgespülte Gemüter, hast du dich gehörig geirrt. Dankbarkeit erfordert Mut. Klagen und Jammern kann jeder. Dem Leben jedoch in jeder Situation die Stirn zu bieten und eine Haltung der Dankbarkeit zu wahren – Chapeau! Der Lohn dieser mutigen Haltung: Lebensfreude und Momente erfüllenden Glücks.

Ohne die Haltung der Dankbarkeit verliert sich leicht der Blick für das Wesentliche im Leben.

Dankbarkeit für das, was war

Ostern naht und ob du nun gläubig bist oder nicht, es gibt Momente im Leben, die berühren tief und lassen dich erkennen, dass alles irgendwie einen Sinn ergibt und da vielleicht doch etwas ist, eine Art Gnade.

Meinem Vater ging es sehr schlecht, er saß nur noch im Sessel, er wusste, dass er stirbt, und ich war täglich bei ihm. Ich habe ihm beim Anziehen geholfen, hockte vor ihm und wir lachten über die Situation, über das Unterhemd, das immer glattgestrichen werden muss, so habe ich es von klein auf gelernt, über die Manschetten, die stets aus dem Pullover herausgucken müssen und der Kragen niemals über den Pullover. Ein Getüdel und Gezupfe und wenn er dann endlich in den Sessel plumpste, grinste er mich an: „Hast Du gut gemacht, mien Lütten.“

Heute denke ich mit Dankbarkeit daran zurück. Wie schön, dass wir noch bedingt durch seine Pflegebedürftigkeit so viel Nähe teilen durften.

Dankbarkeit für das Kleine, was ganz groß ist

Dann abends beim Essen, wenn ich ihm eine Suppe aufgewärmt hatte. Da mein Vater gar nicht mehr viel sehen konnte, war das Löffeln nicht einfach. Ich beobachtete ihn, wie er den Löffel in die Suppenschüssel dippte, doch dann ohne Suppe zurück zum Mund führte, weil er nicht sehen konnte, ob er Suppe zu fassen bekam oder nicht. Ich sagte nichts, aber mir tat das so leid. Er aß konzentriert weiter und während ich darüber nachdachte, wie unangenehm diese Situation für ihn sein müsse, sagte er zu mir: „Du kannst noch so gucken, da kriegst Du nichts von ab.“

„Als Menschen nehmen wir alle am ewigen Tanz von Vergnügen und Schmerz, Gewinn und Verlust, Lob und Tadel, Geburt und Tod teil. Aus dieser „fleckigen Schönheit“ der weltlichen Inkarnation, wie Oscar Wilde sie genannt hat, besteht unser Leben.“

Jack Kornfield, Geleitwort zu „Freude“

Und dann schlief er immer wieder in seinem Sessel ein. Ich habe dann ein wenig am Laptop gearbeitet oder dies und das geräumt. Wenn er aufwachte, fragte er verwundert: „Du bist ja noch da?“ Und ich streichelte seine Wange. Überhaupt streichelte ich während der letzten Wochen immer wieder seine Wange. Denn wie sollte ich sonst ausdrücken, was sich nicht sagen lässt. Dankbarkeit dafür, dass er mich mein Leben lang begleitet hat, dass er so war, wie er war, für all die Liebe und für diese besondere Innigkeit, die man wahrscheinlich nur zwischen Kind und Eltern erlebt. Mein Vater wollte das alles nicht und Geheule schon gar nicht. Also blieb mir diese Geste. Ein Streicheln über die Wange und zum Abschied am Abend fest gedrückt.

Dankbarkeit bleibt im Herzen

Das Osterwochenende steht an und eigentlich hätte ich meinen Vater wie jedes Jahr zu uns geholt, zum Osterfeuer und am Sonntag zum Osterkaffee. Er hätte für die Kinder Marzipan-Ostereier mitgebracht und für mich Tulpen, seine Lieblingsblumen. Dann hätte er heimlich unser Hundekind an der Kaffeetafel mit Keksen gefüttert und zu meinem tadelnden Blick mit den Schultern gezuckt: „Der ist mein Freund.“ Und mit meinem Mann hätte er über den Garten gesprochen und ihn von der Arbeit erzählen lassen, eben Männergespräche, so war er, eine andere Generation. All das bleibt mit Dankbarkeit im Herzen.

Ich werde mir zu Ostern einen Tulpenstrauß kaufen und mit Dankbarkeit all diese Dinge erinnern. Denn alles, wofür wir Dankbarkeit empfinden, all das bleibt.

  • Je bewusster ich die Dinge erlebe, desto mehr erkenne ich Kleinigkeiten, die mich mit Dankbarkeit erfreuen.
  • Abends nehme ich mir vor dem Schlafengehen Zeit, um in Dankbarkeit den Tag Revue passieren zu lassen.
  • Ich nehme mir die Zeit zu schauen, für was ich alles rückblickend in meinem Leben dankbar sein kann.
Über Achtsamkeit im allgemeinen, was das ist und wie es dir hilft, kannst du hier weiterlesen Worum es speziell beim Thema "Dankbarkeit" geht, findest du hier ...

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