Gedanken putzen

Nimmst du dich an, wie du bist, mit deinen Stimmungsschwankungen, deiner Unfähigkeit, dich zu entscheiden, deinem Perfektionismus und all diesen mentalen Hürden, die dein Leben erschweren, findest du zu einer liebevollen Akzeptanz. Dazu bedarf es einer achtsamen Pflege deiner Gedanken, wohlwollender Erkenntnis und gegebenenfalls bewusster Abgrenzung.

Deine geistige Haltung ist entscheidend, wenn du dich von negativen Gedanken distanzieren willst.

Hygiene der Gedanken

Mit zwei Kindern, die bereits junge Erwachsene sind und, jeglichen elterlichen Rat ignorierend, partout ihre eigenen Wege gehen wollen, kommt man als Mutter nicht selten an seine Grenzen. Oft ist es kaum auszuhalten, dieses Gefühl, warum denn alles ganz anders läuft als einst gedacht. Und diese Gedanken kreisen auch des Nachts weiter. Manchen Morgen stehen mein Mann und ich beim Zähneputzen nebeneinander im Bad und schauen in den Spiegel: Ob wir ohne Kinder genauso fertig aussehen würden?

Liebevolle Akzeptanz hat nichts mit Falten und müden Augen zu tun. Dennoch wäre mein Blick auf mich wohlwollender, wäre ich ausgeruhter. Vielleicht sollte ich frischere Gedanken denken, mich von den negativen und immer wieder um die gleichen Dinge kreisenden abgrenzen.

Achtsamkeit hilft dir, sensibel für deine Gedanken zu werden, um aus der Distanz zu erkennen, ob die Welt wirklich so ist, wie du sie denkst.

Meine Gedanken und mein Spiegelbild hängen auf jeden Fall zusammen. Anfang des Jahres hatte mein Mann und ich uns eine Auszeit genommen, um Abstand zu bekommen. Damit waren die Probleme und Sorgen nicht weg, aber durch die räumliche Distanz war es für uns möglich, andere Gedanken zu denken und neue Gedanken reinzulassen. Als wir nachhause kamen, sagten viele unserer Freunde, wir würden viel erholter aussehen. Dabei hatten wir während dieser Auszeit genauso gearbeitet wie sonst auch.

Wieder zuhause, ohne der räumlichen Distanz, besteht die Crux darin, allein durch Achtsamkeit meiner Gedanken bewusster wahrzunehmen, um rechtzeitig zu erkennen, was ich denke, und mich dann liebevoll und bestimmt davon abzugrenzen.

Deine geistige Haltung ist entscheidend

Die Psychologin und Havard-Professorin Ellen Langer, die sich seit Jahren mit dem Thema „mindfullness“ (Achtsameit) beschäftigt, hatte folgendes interessantes Experiment gemacht: Für eine Woche lud sie eine Gruppe älterer Herren in ein ehemaliges Kloster in New Hampshire ein. Dort war alles so hergerichtet wie zu der Zeit, als die Herrschaften noch zwanzig Jahre jünger waren: Bücher und Zeitschriften aus jener Zeit, im Fernsehen liefen zwei Jahrzehnte verjährte Fernsehserien und am Abend wurde die Gruppe dazu aufgefordert, die zeitgenössischen Themen von vor zwanzig Jahren zu diskutieren. Außerdem mussten die Herren sich selbst versorgen, kochen und den Abwasch erledigen. Das Resultat dieses Experiments: Am Ende dieser Zeitreise waren die Probanden fitter: besseres Seh-, und Hörvermögen und körperlich und geistig mehr Beweglichkeit.

Unsere geistige Haltung hat offensichtlich einen wesentlichen Einfluss auf unsere Gesundheit. Und mit unserer geistigen Haltung eng verbunden sind unsere Gedanken, die daraus resultieren. Je bewusster wir uns also von einer negativen Haltung abgrenzen, desto bewusster können wir schauen, was uns guttun würde, um dem Sog von Negativspiralen zu entkommen.

Deine geistige Haltung bedingt deine Gedanken. Daher grenze dich bewusst von einer negativen Haltung ab, indem du ebenso bewusst schaust, was dir stattdessen guttun würde.

Das Neue im Bekannten

Tatsächlich ist es interessant, achtsam zu schauen, mit welcher geistigen Haltung wir in unseren Alltag starten. Und dann stellen wir nämlich auch fest, dass wir immer die Wahl haben. Und zwar auch dann, wenn uns der Alltag Tag für Tag keine Abwechslung bringt, weil unsere Aufgaben und Verpflichtungen wie jeden Tag erledigt werden müssen. Doch es liegt an uns, ob wir beispielsweise dem Moment, in dem wir morgens aus der Haustür gehen, gedankenverloren keine Beachtung schenken, oder ob wir kurz bewusst innehalten, um die Luft einzuatmen und das Geschenk eines neuen Tages, der sich vor uns ausbreitet, mit Dankbarkeit zu begrüßen.

Denn auch wenn tagtäglich der Alltag auf uns wartet, haben wir die Möglichkeit, unsere Haltung dazu bewusst auf die Wahrnehmung des Schönen und des Guten zu richten und uns von der negativen Bewertung unseres Seins abzugrenzen. Annehmen, was ist, und das Gute darin erkennen, um uns selbst zu stärken und den Blick mehr und mehr auf das Positive zu richten.

Unsere Gedanken entscheiden, ob wir etwas positiv oder negativ werten. In der Achtsamkeit erkennen wir den Moment der freien Wahl.

Spannend auch ein weiteres Experiment von Professorin Langer. Sie untersuchte 2007 inwieweit unser Denken zum Beispiel Einfluss auf unser Körpergewicht hat. Als Probanden dienten zwei Gruppen Zimmermädchen. Bei der einen Gruppe wurde deren Job als Fitnesstraining umdefiniert. Betten beziehen und Bäder putzen sollten sie als eine Art Sport betrachten. Und tatsächlich hatte allein diese Haltung der Arbeit gegenüber bewirkt, dass die Teilnehmerinnen dieser Gruppe nach vier Wochen ein Kilogramm an Körpergewicht verloren hatten.

Wie wir die Welt sehen, hängt davon ab, worauf wir zu achten gelernt haben. Achtsamkeit bietet uns die Möglichkeit, in dem, was wir bereits kennen, Neues zu entdecken.

Abstand gewinnen und abgrenzen

Eine positivere geistige Haltung einzunehmen, beginnt bereits mit einer Entscheidung. Das bedeutet nicht, dass du jetzt alles positiv sehen sollst. Vielmehr geht es darum, das Negative urteilsfrei und liebevoll anzunehmen und ihm gegenüber zu einer Haltung der wertfreien Akzeptanz zu finden. Diese Haltung erlaubt es dir, deine Gedanken zu betrachten, ohne dass sie dich einwickeln. Überhaupt erst einmal wahrnehmen, welche Gedanken dein Erleben färben. Denn in dem Moment, wo du etwas betrachtest, hast du sofort Abstand dazu. Und in diesem Moment spürst du bewusst, welche Wirkung deine Gedanken auf dich haben.

In diesem entscheidenden Moment der Achtsamkeit entwickelst du Mitgefühl. Und aus einer mitfühlenden Haltung heraus blickst du sofort liebevoller und urteilsloser auf das, was sich dir gerade an Herausforderungen stellt. Mitgefühl bedeutet immer, dass Liebe fließt. Und fließt Liebe, lösen sich Destruktivität, Negativität und Widerstand auf.

Akzeptiere ich meine negativen Gedanken voll Mitgefühl, fließt Liebe und löst die Widerstände auf.

Noch einmal zurück zum anfänglichen Blick in den Spiegel. Wie fällt dein Urteil bei deinem täglichen Blick in den Spiegel aus? Ich habe jetzt verstanden, dass ich mich zukünftig von dem geistigen Automatismus der Bewertung abgrenzen möchte. Dabei hilft mir eine schöne Übung: Ich stelle mich vor den Spiegel, betrachte mein Gesicht, streichle liebevoll über meine Wangen und atme bewusst tief ein und aus. In Gedanken sage ich mir folgenden Satz: „Ich bin. Und dafür bin ich dankbar.“ Dabei spüre ich schnell, wie mein Blick auf mich selbst weicher und mitfühlender wird.

Von Professorin Ellen Langer stammt der Begriff „Mindless automata“. Damit sind all die Überzeugungen gemeint, die unser Leben unbewusst steuern, ohne dass wir es bemerken. Und damit einhergehend seien wir darauf programmiert, fremde Gedanken ungeprüft zu übernehmen.

Wahrscheinlich werden wir nie ganz frei davon sein. Und dennoch: Mithilfe einer mitfühlenden und wertfreien Haltung können wir diese unbewussten Überzeugungen und übernommenen Gedankenmuster entlarven, um uns davon liebevoll und mit nachsichtiger Geduld abzugrenzen. Damit wird sich unser Blick auf unser Leben ins Positive verändern, weil wir statt des ewigen Mangels plötzlich die Fülle und Liebe erkennen. Und es wird uns damit auch leichter fallen, uns selbst so zu lieben, wie wir sind. Denn im Endeffekt haben wir nur uns selbst, daher sollte unser Blick auf uns von Liebe getragen sein.

  • Erkenne ich negative Gedanken, die mich zum Beispiel unter Druck setzen, stelle ich mir vor, sie seien kleine schwarze Wolken am Himmel. Ich betrachte sie und lasse sie ziehen.
  • Ich achte bewusst auf schöne Momente des Tages: Sobald mich etwas erfreut, nehme ich diese Freude bewusst in mir auf und spüre ihr mindestens 20 Sekunden nach.
  • Ich mache aus schönen Tatsachen (blühende Krokusse im Park, strahlender Sonnenschein) schöne Erfahrungen, indem ich diese Tatsachen für einen achtsamen Moment verinnerliche.
Über Achtsamkeit im allgemeinen, was das ist und wie es dir hilft, kannst du hier weiterlesen Worum es speziell beim Thema "Abgrenzung" geht, findest du hier ...

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