Übungen achtsamer Wahrnehmung

Nimm achtsam wahr. Nette Aufforderung, doch meistens denken wir nicht daran. Und falls doch, lassen wir uns für maximal ein oder zwei Minuten darauf ein, oft nur halbherzig. Dabei sind achtsame Übungen spannend. Du bist ganz bei dir selbst und erfährst dich im jeweiligen Tun. Ein kostbarer Moment des Seins.

Oft verspüren wir Widerstände gegenüber Übungen der Achtsamkeit. Aber gerade diese Widerstände verraten uns viel über uns selbst.

Malen ist eine effektive Übung der Achtsamkeit

Früher als Kind malte ich oft mit einem schwarzen Filzer wilde Kreise und Schlangenlinien, um die Zwischenräume anschließend bunt auszumalen. Das konnte ich stundenlang machen. Mir brachte das viel Spaß, das Malen, das Betrachten, wie sich die Farbe auf dem Papier ausbreitet, und die Wahl, welche Farben harmonisieren. Seit einiger Zeit gibt es Ausmalbücher für Erwachsene.

Bisher hatte ich sie zwar interessiert durchgeblättert, aber dann doch wieder weggelegt. Und jetzt bekam ich eins von einer Freundin geschenkt. Das lag erst eine ganze Weile herum, jedoch neulich Abend habe ich die Filzstifte meiner Tochter genommen und mich rangemacht. Ich wollte einfach abtauchen und erhoffte mir das Erleben eines Flow-Zustandes wie zu Kinderzeiten:

Eintauchen in eine Tätigkeit und dabei komplett Einssein mit dem Tun. Der Diplom-Physiker Helmut Rennschuh schreibt zum Thema Flow in seinem Buch „Innehalten“:

„Oft kommt es zu einer Verschmelzung mit dem Augenblick, die das Zeitgefühl beeinflusst, sodass der Handelnde das Gefühl haben kann, die Zeit laufe schneller ab oder, im Gegenteil, verlangsame sich.“

In dem Moment, wo wir komplett in unserem Tun aufgehen, eins mit dem Tun werden, in diesem Moment sind wir uns selbst ganz nahe.

Mein Erleben beim Malen war intensiv. Zum einen habe ich durch die Konzentration auf diese Tätigkeit extrem achtsam wahrgenommen. Ich war ganz bei der Sache, habe mich komplett auf die Materialien (Farbstifte, Papier) und Gegebenheiten (begrenzte Farbflächen) eingelassen und alles, wirklich alles, was dabei an Gedanken und Gefühlen hochkam, habe ich offen angenommen und angeschaut.

Dabei entdeckte ich auch typische Konditionierungen und Gedankenmuster, die mein Handeln im Alltag wesentlich beeinflussen, die jedoch unterbewusst wirken, so dass ich mir dieser Einflüsse selten bewusstwerde. Zum Beispiel habe ich festgestellt, dass es mir schwerfällt, scheinbar Sinnloses zu tun. Programmiert auf Pflichterfüllung und Aufgabenerledigung, kamen mir beim Malen Gedanken, dass ich die Zeit ja „besser“ nutzen könne und wie sinnlos ich die Zeit vergeuden würde. Ich spürte auch, wie ich anfangs innerlich ruhelos war.

Natürlich hatte ich meine Messlatte im Gepäck, sprich ich durfte auf keinen Fall über die Ränder hinwegmalen und meine Farbauswahl musste unbedingt „passend“ sein (Passend für was? Passend für wen?). Doch je mehr ich mich auf das Malen einließ, je mehr löste ich mich von alledem, bis ich es irgendwann richtig genießen konnte, in den Malprozess einzutauchen und frei von Gedanken zu werden.

Jede kreative Tätigkeit, bei der du dich mit deinen Sinnen ganz einzulassen versuchst, wird zu einer Übung der Achtsamkeit, bei der du viel über dich selbst erfährst.

Beim Basteln gerät man schnell in einen achtsamen Flow

Ähnlich wie beim Malen ergeht es einem auch beim Basteln. Bald ist schon wieder Herbst und ich erinnere nur zu gerne, wie ich früher mit den Kindern Kastanienmännchen bastelte. Neulich kam mir die Idee, warum versuche ich nicht, meine derzeitige Gefühlslage mit einer Kollage auszudrücken? Ich erinnere eine Phase in meinem Leben, wo es mir nicht gut ging und ich über Kunsttherapie vieles in mir lösen konnte. Da saß ich vor einem Haufen Ton mit der Aufforderung, meinen Schmerz dazustellen. Interessant war dabei nicht nur der Prozess, bei dem ich schließlich ganz ins Formen und Kneten vertieft war, sondern auch die Hürde, sich darauf einzulassen. Und dann der Punkt, wo es plötzlich fließt. Ebenso spannend das Ergebnis und dann das Gefühl am Ende: gelöst, bei sich selbst, innerlich weich und zugänglich, verletzlich, mitfühlend und auch dankbar.

Tätigkeiten mit den Händen sind effektive Übungen, um über den Körper mit den Gefühlen in Kontakt zu kommen.

Schreiben ist eine gute Übung, um den Geist zu leeren

Sicherlich kennst du die Übung der drei Morgenseiten. Dabei schreibst du jeden Morgen auf drei Seiten alles nieder, was dir gerade so durch den Kopf geht, und zwar ohne Punkt und Komma und ohne im Schreibfluss innezuhalten. Du setzt den Stift nicht ab. Zuerst denkt man sich, was soll ich da alles schreiben, erst recht am Morgen, ist ja noch nichts passiert. Doch dann schreibt man eben, dass man das doof findet und nichts zu schreiben hat. Ziel dieser Übung ist es, den Geist zu leeren, um frei von „Gedankenmüll“ in den Tag zu starten. Auch bei dieser Übung finde ich es wieder interessant, die Widerstände zu beobachten, die jedes Mal auftauchen, wenn man die Übung beginnt. Die vielen Stimmen, die einem einreden, was für eine Zeitverschwendung das sei und ob das wirklich funktioniert und überhaupt, würde eine Seite nicht reiche? Die Widerstände sind immer sehr aufschlussreich in Bezug auf Konditionierungen und Gedankenmuster. Sie zeigen uns offensichtlich die Art und Weise, wie wir mit uns umgehen, wie wenig oder viel wir uns wertschätzen.

Jeder Widerstand, den du spürst, bevor du dich auf eine achtsame Übung einlässt, ist wertvoll, weil er Denk- und Verhaltensmuster aufdeckt.

Dazu fällt mir ein Zitat von Jon Kabat-Zinn aus seinem Buch „gesund durch Meditation“ ein:

„Loslassen heißt zulassen. Es bedeutet, die Dinge zu akzeptieren, wie sie sind.“

Sich einlassen ist eine Art Loslassen. Im Alltag geht es so oft darum, doch wann sind wir wirklich bereit, uns einzulassen? Sich auf achtsame Übungen einlassen, die Widerstände loslassen und sich dem Erleben hingeben. Das ist einfacher geschrieben, als getan, aber wenn du das schaffst, wirst du feststellen, wie gut dir solche Übungen tun.

Vielleicht hast du ja Lust bekommen, die eine oder andere Übung auszuprobieren.

Ich werde auf jeden Fall am Ball bleiben und mir immer mal wieder den berühmten Tritt geben, um mir Zeit und Muße fürs Malen, Basteln und Schreiben zu gönnen.

  • Jeden Morgen praktiziere ich die Übung der drei Morgenseiten.
  • Eine Variante zum Schreiben am Morgen: Ich male meine Gefühle auf, nehme mir dafür 5- 10 Minuten Zeit und betrachte abschließend das Bild. Auf diese Art und Weise werde ich ungute Gefühle los und starte unbelasteter in den Tag.
  • Die einfachste Übung der Achtsamkeit schiebe ich am Tage immer mal wieder ein: kurz innehalten, bewusst atmen und spüren.

Über Achtsamkeit im allgemeinen, was das ist und wie es dir hilft, kannst du hier weiterlesen

Weitere Informationen zum Thema "Übungen & Impulse" findest du hier ...

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