Warum nicht Dankbarkeit zum Ziel machen?

Der holde Lenz steht vor der Tür und alles erwacht aus langem Winterschlaf. Die Tage werden länger, die Luft fühlt sich milde an und schaut man genau hin, erahnt man das erste Grün. Dennoch trotte ich missmutig durch die noch karge Natur. Da hilft der Blick der Dankbarkeit, der stimmt milde – auch sich selbst gegenüber.

Die Haltung der Dankbarkeit stärkt dein Selbstmitgefühl und je mitfühlender du dir selbst begegnest, desto dankbarer nimmst du dein Leben wahr.

Aus der Haltung der Dankbarkeit entwächst die Liebe

Kennst du das noch? Ich musste das Gedicht „Er ist´s“ von Eduard Mörike damals in der Schule auswendig lernen:

„Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.“

Und so weiter und so weiter …

Jawohl, lieber Frühling, ganz recht, du bist´s, nur habe ich dich scheinbar nicht so recht vernommen. Dabei stehst du in den Startlöchern und wartest nur darauf, endlich zu sprießen und zu grünen. Doch statt lenzige Gefühlswogen in der Brust, verspüre ich bleierne Frühjahrsmüdigkeit in den Knochen. Wissenschaftlich durchaus erklärbar, denn noch ist der Gehalt des Schlafhormons Melatonin recht hoch im Blut. Mit zunehmender Lichtintensität jedoch werden vermehrt diese netten euphorisierenden Hormone Serotonin und Dopamin ausgeschüttet. Und warum verspüre ich trotz erster Krokusse partout keine erquickende Lebensfreude? Weil alles gerade stressig in meinem Leben ist und es mir an Liebe fehlt. Liebe für mich selbst. Würde ich mich liebevoll so annehmen, wie ich mich gerade fühle, erschöpft und traurig, weil das Kümmern um meinen alten Vater viel Kraft gekostet hat und noch immer kostet, würde ich Dankbarkeit spüren. Dankbarkeit für das Wunder der Natur, das sich jedes Jahr neu in seiner Schönheit entfaltet.

Der buddhistisch vietnamesische Mönch Thich Nhat Hanh schreibt in seinem Buch „Nimm das Leben ganz in deine Arme“, dass der erste Aspekt wirklicher Liebe Maitri sei. Dieses bedeutet soviel wie die Fähigkeit und auch die Absicht, Freude und Glück zu schenken.

„Die Bedeutung des Wortes Liebe müssen wir wiederherstellen, denn Liebe ist ein sehr schönes Wort. Der Ausdruck maitri hat seine Wurzel im Wort mitra, was Freund bedeutet. Im Buddhismus ist Freundschaft die ursprüngliche Bedeutung von Liebe.“

Thich Nhat Hanh, aus: „Nimm das Leben ganz in deine Arme“

Na also, das wird schon. Das würde eine Freundin jetzt zu mir sagen. Und mit einem ebenso liebevollen Blick sollte ich mich selbst betrachten. Dann würde ich mir auch meine Erschöpfung und Trauer zugestehen, sogar dankbar dafür sein, dass ich mich um mich selbst sorgen darf und mir einen selbstmitfühlenden Blick schenken.

Die Autorin Isabell Allende sagte einmal in einem Interview zum Thema Liebe, dass es bei der Liebe ums Sein gehen würde, um das Miteinander-Sein. Sie hatte das auf die Ehe bezogen, doch Gleiches gilt auch für die Liebe, die wir für uns selbst empfinden. Es geht auch um das Miteinander mit sich selbst. Ich darf meine „Schwächen“ liebevoll annehmen. Und aus dieser liebevollen Haltung heraus wächst Dankbarkeit.  Aber auch umgekehrt: Richte ich den Blick der Dankbarkeit auf all das, was mich umgibt und was mein Leben ausmacht, spüre ich Liebe in mir wachsen. Liebe für die Menschen um mich herum und Liebe für mich selbst.

Selbstmitgefühl lässt dich in Dankbarkeit das Schöne entdecken

„Die Krönung der Liebe ist der Gleichmut.“

Lama Ole Nydahl, aus „Wie die Dinge sind“

Isabel Allende sagte in dem Interview auch, dass sie die Vorstellung von einem riesigen Ozean hätte, der alles und alle verbinde und wir Menschen seien die Wassertropfen in diesem gigantischen Meer. Ein schönes Bild, ein schöner Gedanke. Wir treiben alle in dieser Strömung, rauf und runter in den Wogen des Wassers. Ein Gedanke, der vieles relativiert und uns angesichts unserer „Nichtigkeit“ mit Dankbarkeit erfüllen sollte. (Und gleichzeitig auch „Wichtigkeit“, denn nur die Gesamtheit aller Wassertropfen macht das Meer aus.) Mit Gleichmut und Demut die Dinge des Lebens annehmen, nicht hadern und schimpfen, sondern in Dankbarkeit den Blick auf das Schöne richten. Mit diesem Vorsatz verändert sich etwas im Inneren. Ich nehme mir jetzt beispielsweise Zeit, setze mich nicht unter Druck, sondern gönne mit mitfühlend Momente der Ruhe und des Seins, und zwar genauso, wie ich mich gerade fühle. Und gehe ich jetzt hinaus in die Natur, ist mein Blick frei von Unzufriedenheit und Missmut mir selbst gegenüber, so dass ich in Dankbarkeit all das entdecke, was die Natur bereithält.

„Alle tragen wir die Keime der Liebe in uns. Diese wundervolle Energiequelle können wir entwickeln, indem wir die Liebe in uns nähren, die nicht an Bedingungen geknüpft ist, die keinerlei Gegenleistung verlangt.“

Thich Nhat Hanh, aus: „Nimm das Leben ganz in deine Arme“

Dankbarkeit stärkt deine Gelassenheit

Ist es denn nicht auch wunderbar, loszulassen und zu sich selbst zu sagen: „Es ist wie es ist, basta.“ Ich denke, unsere Messlatte ist immer viel zu hochgelegt. Wir verlangen von uns selbst, stets zu funktionieren und bester Dinge zu sein. Und dann scheitern wir an fehlender Selbstliebe. Unser Selbstbewusstsein knickt ein und statt nachsichtig mit uns selbst die eigenen Ansprüche herunterzuschrauben, schrauben wir diese meist nur noch höher, nach dem Motto „Reiß Dich zusammen, reiß Dich am Riemen.“ Doch ein Leben ist kein Marathonlauf, bei dem man sich am Ende der Kräfte und komplett ausgelaugt über die Zielgerade schleppt. Unser eigener innerer Rhythmus bestimmt das Tempo. Und wir sollten vielmehr Dankbarkeit dafür fühlen, dass unser Körper und unsere Seele uns eindeutig darauf hinweisen, wann es ihnen zu viel wird, wann sie Ruhe brauchen.

Vielleicht kennst du das berühmte Gemälde „La Primavera“ des Renaissancemalers Sandro Botticelli. Darauf wird auf riesiger Leinwand der Frühling dargestellt. Ich hatte es mir vor Jahren in den Uffizien in Florenz angesehen und stand staunend davor, vergaß Zeit und Raum. Am rechten Rand sieht man die Nymphe Chloris, die den Gott des Westwindes heiratet. Ein wenig weiter zur Mitte hin verwandelt sich Chloris nach ihrer Hochzeit in die Frühlingsgöttin Flora. Wunderschön hat Botticelli die Göttin des Frühlings gemalt, umgeben von Pflanzen und Blumen, von Hoffnung und neuem Erwachen. Und trotzdem ist sie noch vom Winter eingehüllt, denn ihr schneeweißes Gewand symbolisiert die sich zum Ende neigende Jahreszeit.

Ich nehme es jetzt gelassen, gönne mir noch ein wenig mehr Winterruhe und bin dankbar dafür, dass ich damit selbst gut für mich sorge. Derart befreit von Druck, meinen eigenen Ansprüchen an mich selbst, kann ich endlich auch Freude empfinden und Dankbarkeit spüren, wenn ich auf meinen Spaziergängen in der Natur die ersten Frühlingsboten entdecke. Und danach mache ich es mir wieder kuschelig zuhause auf dem Sofa. Alles braucht eben seine Zeit.

„Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist´s!
Dich hab ich vernommen!“

Eduard Mörike, „Er ist´s“

  • Ich nehme achtsam meinen Körper und meine seelische Stimmung wahr und gönne mir Ruhe, wenn Körper und Seele danach schreien.
  • Sobald ich mich dabei erwische, wie ich mich unter Druck setzte und innerlich antreibe, atme ich tief durch, schicke mir in Gedanken Liebe und lasse los.
  • Ich richte täglich meinen Blick mit Dankbarkeit auf all das Positive, das mich umgibt..
Über Achtsamkeit im allgemeinen, was das ist und wie es dir hilft, kannst du hier weiterlesen Worum es speziell beim Thema "Dankbarkeit" geht, findest du hier ...

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